Festveranstaltung am 19. April 2024 ab 16:30 Uhr in der Hospitalkirche Schwäbisch Hall

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100 Jahre und doch ‚quietsch-modern‘

„Ist die Arbeiterwohlfahrt ein Relikt aus alten Zeiten? Kann man eine Institution der Sozialen Arbeit heute noch so benennen?“ Diese Frage stellt die Festrednerin, Prof. Dr. h.c. Jutta Allmendinger, Ph. D., Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, an den Anfang ihrer Überlegungen, die sie mit den rund 240 Gästen des Festabends in der Schwäbisch Haller Hospitalkirche teilt. „Ja, man kann“, antwortet die anerkannte und sehr eloquente Soziologin. Ihrer Auffassung nach nämlich genau dann, wenn man ‚Arbeit‘ im Sinne von allen notwendigen gesellschaftlichen Tätigkeiten betrachtet.

Ihre Reise mit dem Zug nach Hall glich einem Abenteuer und sie verlor dabei ihr Manuskript. Gleichwohl spricht sie rund 50 Minuten frei über drei sich stark verändernde Bereiche unserer Gesellschaft, die Ihr unter sozialen Gesichtspunkten wichtig sind: Über Kinder & Jugendliche, über die Veränderung der Erwerbstätigkeit und über den Umgang mit einer immer älter werdenden Gesellschaft. Sie verweist darauf, dass in allen drei Bereichen Muster aufbrechen und Strukturen sich verändern. Sie macht deutlich, dass Familien, Kinder & Jugendliche und auch ältere Menschen mehr und mehr auf Institutionen und deren Hilfe angewiesen sind. „Die Ungleichheit zwischen den Kindern beispielsweise steigt und mit Blick auf die derzeit diskutierten Maßnahmen“, sagt Jutta Allmendinger. Als aktuelles Beispiel führt sie das sogenannte Startchancenprogramm der Bundesregierung an, wo im Gerangel zwischen den Ländern die Interessen der Politiker, die der Kinder übertönen, wie sie sagt. Sie ist in Sorge darüber.

„Und da bin ich bei der AWO: Da müssen wir etwas tun. Denn es geht ihrer Meinung nach um Solidarität für arme und benachteiligte Menschen. Es geht um Hilfestellung für Kinder, Jugendliche und Familien“, sagt die Professorin. Aber auch um Geflüchtete, um ältere und um behinderte Menschen. Sie sieht es generell als eine Aufgabe der Politik, der zunehmenden Nichtverknüpfung sozialer Kreise entgegenzuwirken und das soziale Miteinander zu formen. Und sie sieht es als Auftrag und Aufgabe für die AWO, einerseits diese Risse in der Gesellschaft ‚kitten‘ zu helfen und andererseits ein konkretes Erwartungsmanagement an die Politik zu gestalten. „Ich sehe für die AWO unglaubliche Arbeitsbereiche, gesamte Lebensläufe von Menschen zu unterstützen. Gerade in transformativen Bereichen. An vielen Stellen wird die AWO gebraucht, um wieder zu einem WIR zu kommen. Denn die nächsten 100 Jahre werden sicher nicht weniger anstrengend als die letzten 100.“ Frau Professor Allmendinger findet es sehr beeindruckend, wie die AWO Schwäbisch Hall es geschafft hat, durch die vielen Umbrüche zu gehen und – angefangen mit der Gründerin Pauline Graf – die Gesellschaft nachhaltig zu prägen. Mit Blick auf die zukünftigen und anstehenden Aufgaben und der Tatsache, dass die AWO weiter ganz vorn dabei ist, sagt sie: „Dann ist die AWO quietsch-modern!“

100 Jahre AWO sind eine echte Erfolgsgeschichte. Damit beginnt der Oberbürgermeister von Schwäbisch Hall, Daniel Bullinger, sein Grußwort. Dazu gratuliert er herzlich im Namen der Stadt und des Gemeinderates. Zuvor hat unser Vorsitzender, Ernst-Michael Wanner, den festlichen Nachmittag eröffnet und zu Recht festgestellt, „dass die ‚breite Palette der Sozialen Arbeit‘ in der Stadt und im Landkreis Schwäbisch Hall heute hier im Raum versammelt ist.“ Er bedankt sich bei allen anwesenden Weggefährt*innen für die vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit.

Er gibt einen kurzen Abriss über die Meilensteine – von der Gründerin Pauline Graf abgefangen bis zu den aktuellen Herausforderungen, zum Beispiel in der Flüchtlingssozialarbeit – soweit das bei 100 Jahren überhaupt möglich ist. Er macht deutlich, wie wichtig das gute Miteinander und die guten Netzwerke in der sozialen Arbeit sind und welche Bedeutung jeder und jede einzelne im Festsaal darin hat oder hatte. Er betont: „Bei der sozialen Arbeit ist die Kooperation mit dem Landkreis, den Gemeinden und den Städten, aber auch mit den politischen Vertretern im Land und im Bund besonders wichtig. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass diese Zusammenarbeit für den ‚schönsten Landkreis Deutschlands‘ seit vielen Jahren gut und vertrauensvoll ist. Ich freue mich, dass wir diese Erfolgsgeschichte an diesem schönen und würdigen Ort zusammen feiern. Ich bedanke mich dafür bei Ihnen allen!“

Stolz und froh über das Geleistete. Oberbürgermeister Daniel Bullinger ist froh über die Zusammenarbeit, insbesondere und auch wenn er darauf schaut, an welchen Stellen die AWO Schwäbisch Hall die funktionierende soziale Arbeit in der Stadt absichert. Er nennt beispielhaft die Hausaufgaben- und die Ganztagesbetreuung an den Schulen, die Kinderinsel mitten im Zentrum und die Arbeit für Geflüchtete und für Migranten. „Die AWO war und ist immer da. Dafür bin ich sehr dankbar. Gemeinsam schaffen wir es, dass die Stadt Schwäbisch Hall eine lebenswerte Stadt ist und bleibt. Für den Landrat des Landkreises Schwäbisch Hall, Gerhard Bauer, ist die AWO ein ‚Game Changer‘ oder gar ‚Hidden Champion‘ auf dem Gebiet der sozialen Fürsorge. Mit Stolz macht er klar, dass die AWO aktuell mit insgesamt zwölf Bereichen seiner Verwaltungsbehörde zusammenarbeitet. „Und jetzt auch in der Flüchtlingssozialarbeit. Das war und ist seit langem eine ganz hervorragende Zusammenarbeit. Und das wünsche ich uns auch für die weiteren 100 erfolgreichen Jahre. Heute steht die Freude darüber und darauf im Mittelpunkt“, sagt der Landrat.

Geburtstagsgrüße der schönsten Städte und Gemeinden im Landkreis. Diese überbringt der Vorsitzende des Gemeindetages Schwäbisch Hall, Damian Komor, im Auftrag. Er weiß, „Erfolgsgeschichten beginnen mit einer guten Idee und Beharrlichkeit. Miteinander gestalten wir das Beste für unserer Kommunen, vor allem für die Kinder und Jugendlichen in den Gemeinden. Denn wir kleinen Kommunen können das allein so nicht leisten. Wir sind auf Experten wie die AWO und deren Netzwerk angewiesen. Wir brauchen Sie heute und werden Sie auch weiter brauchen. Wir sind verlässliche Partner und schätzen Sie sehr – alles Gute“. So bringt es der Bürgermeister von Mainhardt sehr emotional auf den Punkt.

Danke für die Arbeit und für den täglichen Einsatz. Lars Piechot, als Geschäftsführer der AWO Schwäbisch Hall und der inzwischen drei Tochterfirmen, moderiert und steuert den Abend. Er begrüßt nach den Grußworten und zwischen den lockeren sowie fröhlichen Musikstücken der Musikschule noch einmal den Stellvertretenden Vorsitzenden der AWO-Württemberg, Stefan Oetzel, für eine Überraschung. Schon in seinem Grußwort, eine gute Stunde zuvor, bedankt er sich ausdrücklich zuerst bei den Mitarbeitenden, den Ehrenamtlichen, den Freundinnen und Freunden der AWO. Er überbrachte die herzlichsten Glückwünsche der AWO-Württemberg und machte klar, dass es in der Sozialen Arbeit heute nicht mehr um Suppenküchen, sondern zum Beispiel um explodierende Mieten geht. Er betont: „Die AWO Schwäbisch Hall ist mittendrin und steht jeden Tag dafür ein. Sie ist inzwischen ein mittelständisches Unternehmen und wird die nächsten Jahre weiter gefordert sein“, so Stefan Oetzel.

Zwei, die seit Jahrzehnten für die AWO stehen. Als Überraschung für fast alle im Saal, ruft der Stellvertretende Vorsitzende der AWO-Württemberg, Stefan Oetzel, den Ehrenvorsitzenden Rüdiger Schorpp und den Kassierer Jürgen Riehle aus dem Vorstand der AWO Schwäbisch Hall auf die Bühne. Er sagt: „Wir alle wissen, der Sozialstaat funktioniert nur deshalb, weil es Menschen gibt, die mehr tun als sie müssen – so wie Ihr beide.“ Er zeichnet beide ‚AWO-Recken‘ mit der höchsten Auszeichnung der AWO-Württemberg, der Paul Hofstetter-Medaille, aus. „Immer, wenn die AWO ruft, dann kommt der Rüdiger Schorpp“, würdigt der Vertreter aus Stuttgart schmunzelnd die insgesamt 60 Jahre im Ehrenamt unseres langjährigen Mitgliedes und Ehrenvorsitzenden. „Mit Zahlen hat er sich schon immer ausgekannt“, sagt er zum zweiten Preisträger und langjährigem Kassierer Jürgen Riehle. Er berichtet der Saalrunde schmunzelnd, „dass seine Kassenberichte einer ‚Tour de France‘ gleichen und bedankt sich bei beiden herzlich.

„Danke für gelebte Solidarität! Ein Adé – aber nur für den offiziellen Teil der Festveranstaltung 100 Jahre AWO Schwäbisch Hall – kommt vom Ehrenvorsitzenden und frisch gekürten Preisträger Rüdiger Schorpp. Er bedankt sich bei allen Gästen, allen Mitarbeiter*innen, allen Unterstützern und Verantwortlichen im Haupt- und im Ehrenamt. Er fasst zusammen: Das gute Zusammenspiel von Haupt- und Ehrenamt macht die AWO aus. Um effektiv helfen zu können, bedarf es nicht nur engagierter Menschen, sondern auch einer vernünftigen finanziellen Ausstattung. Danke an alle Beiträge zahlenden Mitglieder, an Einzelpersonen, Firmen und Serviceclubs, die durch ihre Spenden unsere gemeinnützige Arbeit und die sozialen Projekte immer wieder unterstützen. Wir haben unbestritten einen gut funktionierenden Sozialstaat. Aber leider gibt es auch in Deutschland immer noch zu viele Menschen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens sind.

‚Die tägliche Begegnung mit Menschen, die in Not geraten sind, hat die AWO zu einem unermüdlichen Anwalt für die Benachteiligten in unserer Gesellschaft gemacht.‘ (Willi Brandt, 1979)

Dieser Satz galt damals wie heute und hoffentlich auch noch in den nächsten 100 Jahren. Möge unser zum Jubiläum gewähltes Logo auch dann noch Bestand haben: AWO – Soziale Arbeit mit Herz und Kompetenz! Es bleibt für die AWO nach wie vor noch genug zu tun“, schließt Rüdiger Schorpp den offiziellen Festakt zum 100jährigen Bestehen der AWO Schwäbisch Hall.